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Worte an Willy : Koalition im Schlafmützentrott
Grass in seinem Atelier richtet ein Jahr nach der sozialliberalen Koalition in der Sendung "Panorama" seine "Worte an Willy"; dazu werden Karrikaturen zu Willy Brandt eingeblendet. Unfähigkeit der Christdemokraten in der Opposition; Anhänger der sozialliberalen Koalition müssen daher ihren eigenen Abgeordneten kritisch gegenüber stehen; <Einblendung: "Ein Jahr danach"> in Bonn herrsche "mehr Geschäftigkeit als politische Tatkraft" und mehr parteiinterne Streitigkeiten, statt eine Fortsetzung der begonnenen Reformpolitik; die Regierungsparteien befänden sich in einem "schlafmützigen Trott" und seien zu "allseits lähmender Selbstgefälligkeit verführt" worden; Willy Brandt habe sich wieder einmal in die Außenpolitik "geflüchtet" und halte bei der UNO und im Europa-Rat bemerkenswerte Reden, greife aber kaum noch in die Innenpolitik ein; Grass lobt die Leistungen Willy Brandts in der Außenpolitik in den letzten Jahren; ein "Kanzler der inneren Reformen" müsse Brandt aber erst noch werden; <Einblendung: "Der entrückte Kanzler"> Erfolge und Ehrungen scheinen Willy Brandt entrückt zu haben; Brandt strahle zur Zeit keine Tatkraft, sondern Lustlosigkeit aus; dies können sich die BRD nicht leisten und dies müssten SPD und FDP begreifen; <Einblendung: "Macht und Moral"> auch die "eigentliche Domäne" Brandts, die Entspannungs- und Europa-Politik, werde zur Zeit vernachlässigt; Grass ist von der Entspannungspolitik "nach Metternichschen Richtlinien" enttäuscht; Enspannung dürfe europäisch "keinen faulen Burgfrieden" zur Folge haben; auf den Öl-Boykott der arabischen Staaten reagiere man erschreckend kleinmütig, gegenüber Israel verhalte man sich schroff und dies lasse sich nicht mit dem Begriff der "strikten Neutralität" in Einklang bringen; die Bundesregierung unterwerfe sich den Preiswucherungen der Öl-Industrie; Brandt sollte durch ein Kartellgesetz den Preisabsprachen in Öl-Sektor ein Ende setzen; gegen das militärische Einschreiten gegen die Studentenproteste in Griechenland hätten Brandt und der Außenminister protestieren müssen; stattdessen herrsche "beklommene Sprachlosigkeit und ängstliches Wegducken" in diesen Bereichen der Außenpolitik; von der sozialliberalen Koalition habe man zu Adenauers Zeit einen Ausgleich von Macht und Moral erwartet; diesem Anspruch hätte viele Wähler vertraut; "wer Willy Brandt freundlich gesonnen ist, wird ihn an Ansprüche erinnern müssen, die er selber gesetzt hat".
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Panorama: Worte an Willy.
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